8. 3. // 15.30 Uhr Weißer Turm Nürnberg
Der 8. März als internationaler Frauen*kampftag steht weltweit für
den Kampf für rechtliche, politische und wirtschaftliche Gleichstellung,
das Recht auf körperliche Unversehrtheit und ein selbstbestimmtes
Leben. Die Wurzeln des 8. März liegen in den Frauen*kämpfen Anfang des
letzten Jahrhunderts. 1910 rief die Kommunistin Clara Zetkin dazu auf,
jährlich einen internationalen Frauen*kampftag durchzuführen. Seitdem
gehen jedes Jahr Millionen Frauen* weltweit auf die Straßen im Kampf
gegen Patriarchat, Gewalt, Sexismus, Kapital und Herrschaft.
In Zeiten erstarkender reaktionärer Bewegungen, die bisherige
Errungenschaften der feministischen Bewegung rückgängig zu machen
drohen, scheint dieser Kampf wichtiger denn je. Auf der ganzen Welt
schließen sich deshalb rund um den 8. März Frauen* und Queers zusammen,
um gemeinsam zu streiken – denn trotz Frauen*wahlrecht und theoretischer
Chancengleichheit in Beruf und Bildung in vielen Ländern sind es immer
noch wir, die am stärksten von Ausbeutung und Unterdrückung betroffen
sind.
Auch nach über 100 Jahren feministischer Bewegung sind wir von einer
Befreiung aus patriarchalen Strukturen noch weit entfernt. Das können
wir nur ändern, wenn wir uns unserer Stärke bewusst werden und uns
gemeinsam wehren.
In Spanien legten letztes Jahr bereits Millionen von uns ihre Arbeit in
Betrieb und Haushalt nieder, und in zahlreichen anderen Ländern
erstarken die Streikbewegungen – auch in Deutschland.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und noch viel mehr!
Wir haben Grund zu streiken, weil Frauen* in der kapitalistischen
Gesellschaft doppelt ausgebeutet werden: Durch Lohnarbeit und unbezahlte
Reproduktionsarbeit. Obwohl heute viele Frauen* außer Haus arbeiten
sind es weiterhin sie, die hauptsächlich die Haus-, Erziehungs-, und
Pflegearbeiten erledigen. An der Arbeitsteilung in Familien und in
Partnerschaften ändert sich nichts, wenn die Frauen* arbeiten gehen. In
Deutschland wurde in den letzten Jahren ein riesiger Niedriglohnsektor
geschaffen und prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen wurden ausgebaut.
Es sind vor allem Frauen*, die in Teilzeit arbeiten oder geringfügig
beschäftigt sind. Ohne staatliche Unterstützung kommen etliche nicht
aus. Die daraus resultierende Altersarmut ist bei vielen
vorprogrammiert. Die herrschende Ungleichheit wird auch bezüglich der
Reproduktionsarbeit deutlich. Egal ob im Privaten oder im Beruf –
Care-Arbeit (Kinderbetreuung, Kranken- und Altenpflege, Haushalt) wird
nach wie vor großenteils von Frauen* erledigt. Dass diese für gleiche
Arbeit genauso bezahlt werden wie ihre männlichen Kollegen, ist seit
Jahrhunderten eine direkte Frage der Gerechtigkeit.
Denn es ist schlicht ungerecht, dass Frauen* für gleiche Arbeit im
Schnitt immer noch 21 Prozent weniger verdienen als Männer*. „Gleicher
Lohn für gleiche Arbeit“, das forderten bereits die Frauen*, die vor
genau 100 Jahren das Wahlrecht für Frauen* durchgesetzt haben. Von
echter Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist Deutschland aber
immer noch weit entfernt. Besonders Migrantinnen* und geflüchtete
Frauen* sind von der zunehmenden Ausbeutung durch Lohnarbeit betroffen.
Migrantinnen* haben oft keine andere Wahl, als in schlecht bezahlten und
häufig illegalen Beschäftigungsverhältnissen zu arbeiten. Dies alles
sind Formen der strukturellen patriarchalen Gewalt im kapitalistischen
System, die wir Frauen* tagtäglich erfahren. Das kapitalistische System
profitiert ungemein von der Rolle der Frauen* durch unbezahlte
Erziehungs- und Haushaltsarbeit sowie den massiven Einsatz im
Niedriglohnsektor und die Vermarktung des Körpers der Frau* als Ware.
Wir sagen: Her mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit!
Kampf gegen Gewalt, Sexismus und Rassismus – überall!
Wir haben Grund zu streiken, weil Frauen* tagtäglich in allen
Bereichen ihres Lebens körperliche, sexuelle, psychische und ökonomische
Gewalt erleben, als wäre es ein selbstverständlicher Akt.
Diese Gewalt findet großenteils im persönlichen Umfeld der Betroffenen
statt. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen nicht um Einzeltaten,
sondern um systematische patriarchale Gewalt. Morde, Vergewaltigungen
oder Gewalt gegen Frauen* in der Familie, auf der Straße oder am
Arbeitsplatz verschwinden statistisch und werden zum „Familiendrama mit
tödlichem Ausgang“, „erweiterten Suizid“ oder „Eifersuchtsdrama“. Damit
wird Gewalt an Frauen* als privates oder individuelles Problem gesehen.
Das schlimmste ist, dass das Thema in Deutschland jahrzehntelang
regelrecht totgeschwiegen wurde, als gäbe es hier keine Gewalt an
Frauen*. Eine „eingereiste“ Kultur der „Anderen“ wird hier als
ursächlich für sexualisierte Gewalt ausgegeben. So wird Migrantinnen*
und geflüchteten Frauen* oft die Rolle der unterdrückten Frau*
zugeschrieben und Migranten und geflüchteten Männern* die Rolle des
sexuell aufgeladenen, gewalttätigen Mannes*. Einerseits wird damit
rassistische Hetze betrieben, auf der anderen Seite werden Asyl- und
Ausländergesetze verschärft.
Weltweit werden LGBTIQ* aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer
geschlechtlichen Identität diskriminiert, verfolgt, geschlagen oder
ermordet. Für viele ist das der Grund, weshalb sie eine ebenso
gefährliche Flucht aus ihrem Herkunftsland auf sich nehmen.
Auch das Recht auf körperliche Selbstbestimmung von Frauen* ist nach wie
vor weder gesetzlich noch praktisch gegeben, was die aktuelle Debatte
um den Abtreibungsparagraphen 219 zeigt.
Seit Jahrtausenden sind Frauen* und Kinder in besonderem Maße Opfer der
Kriege um Profit und Einfluss. Damals wie heute erleben Millionen
Frauen* in Kriegen alle erdenklichen Formen der Gewalt und
Unterdrückung. Massenvergewaltigung, Femizide und Versklavungen werden
als Kriegswaffe genutzt, um Frauen* zu brechen und die ganze
Gesellschaft anzugreifen. Tausende von Frauen* sind immer noch
traumatisiert und mussten Kinder von Vergewaltigern alleine aufziehen.
Sie sind gebrandmarkt und müssen in der Folge weitere Unterdrückung
durch die Gesellschaft erleben.
Ermordungen von tausenden Frauen* im Nahen Osten werden durch Diktaturen
wie die Türkei, Saudi Arabien und Katar gefördert. Es sind aber eben
diese Staaten, die die engsten Bündnispartner unter anderem von
Deutschland sind und mit denen europäische Konzerne enorme Profite durch
Rüstungs- und Waffenexporte machen. Die Kriege, die die NATO-Staaten in
den letzten Jahrzehnten im Nahen Osten geführt haben, haben die
Situation für Frauen* massiv verschlechtert und reaktionäre,
religiös-fanatische, faschistische Organisationen wie IS oder El Nusra
stark gemacht.
Das kapitalistische imperialistische und patriarchale System dient einer
Minderheit und hält Milliarden in Ausbeutung und Unterdrückung.
Gleiche politische und soziale Rechte für geflüchtete Frauen* und Migrantinnen*
Wir haben Grund zu streiken, weil geflüchtete Frauen* und
Migrantinnen* ihre Heimat aus politischen, wirtschaftlichen oder aus
Gründen der Gewalt verlassen müssen. Die Migrantinnen* und geflüchteten
Frauen*, die unter das Ausländergesetz oder Asylgesetz fallen, leiden
besonders unter den Problemen. Für viele der Frauen* ist die Bewilligung
ihres Aufenthaltstitels an den ihres Mannes* gekoppelt. Wenn diese
Frau* Gewalt in der Familie ausgesetzt ist, wagt sie es aus Angst, ihr
Aufenthaltsrecht zu verlieren, nicht, den Mann* zu verlassen.
100 Jahre Frauen*wahlrecht in Deutschland gilt nur für Frauen* mit
deutschem Pass, nicht für Frauen*, die ein halbes Leben in Deutschland
leben, Steuern zahlen, aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht
den deutschen Pass haben. Rassistische Übergriffe sind für viele Frauen*
in Deutschland Alltag geworden.
Die ungleiche Bezahlung am Arbeitsmarkt findet ihre stärkste
Ungleichheit bei Migrantinnen* und geflüchteten Frauen*. Auch der Zugang
zu Unterstützungsangeboten ist hier am schwierigsten. In Kombination
erschweren Rassismus und Sexismus den Zugang zu gesellschaftlicher
Teilhabe, zu Bildung, zu ökonomischer Unabhängigkeit und zu politischer
Mitbestimmung.
Auch die Gründe, die Frauen* und LGBTIQ* in die Flucht treiben, sind
meistens patriarchalen Ursprungs. Unfassbarerweise werden solche Gründe
meistens nicht in Asylverfahren anerkannt. Zudem wird auch für die
Frauen*, die in Deutschland angekommen sind, fast nichts getan, um sie
vor weiterer Gewalt zu schützen! In den Lagern sind vor allem
alleinstehende Frauen* immer wieder patriarchaler Gewalt ausgesetzt.
Dazu kommt die strukturelle Gewalt im Asylsystem sowie der alltägliche
Rassismus auf der Straße.
Wir fordern: Politische und soziale Gleichberechtigung für
Migrant*innen! Anerkennung der Fluchtgründe von Frauen* und LGBTIQ*!
Abschiebungen stoppen! Bleiberecht für alle!
Der Streik muss weitergehen!
Die Geschichte der Frauen*unterdrückung hat uns gezeigt, dass sie in sämtlichen Religionen, Nationen und Klassen stattfindet.
Wir sind nicht mehr bereit, dieses Leben wie schicksalshaft hinzunehmen! Wir wollen selbst bestimmen, wie wir leben!
Deshalb rufen wir alle dazu auf, sich mit dem bundesweiten Frauen-
und Queers-Streik in Deutschland sowie mit der internationalen
Frauen*streikbewegung zu solidarisieren, sich dieser anzuschließen und
feministische Themen auf die allgemeine Agenda zu setzen.
Bestreikt werden sollen nicht nur die Lohnarbeit und nicht nur die
unzähligen unbezahlten Tätigkeiten, die Frauen* jeden Tag ungesehen und
weitestgehend ohne Anerkennung verrichten.
Bestreikt werden sollen alle Anforderungen, Erwartungen und
Zuschreibungen, die uns erzählen wollen, wie wir als Frau* zu sein und
zu leben haben. Bestreikt werden soll ein stereotypes Geschlechterbild,
welches Menschen in die Unsichtbarkeit drängt, wenn sie nicht der
heterosexuellen oder der zweigeschlechtlichen Norm entsprechen.
Bestreikt werden sollen die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Frauen*
auf der ganzen Welt in unsicheren und gewaltvollen Situationen
festhalten.
Bestreikt werden soll eine lange Liste, die mit den hier erwähnten Themen bei Weitem nicht zu Ende ist.
Wir rufen deshalb auch dazu auf, sich zusammen mit dem 8. März-Bündnis
und dem Komitee für einen Frauen- und Queers-Streik in Nürnberg für eine
Weiterführung des Streiks im Jahr 2020 vorzubereiten.
Unser Streikwalk, die Demonstration am 8. März 2019 um 15:30 Uhr am Weißen Turm wird nur der Anfang sein!
Her mit dem ganzen Leben!
Hoch die internationale Frauen*solidarität!
Für eine befreite Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung!
8. März Bündnis Nürnberg