Zuerst erschienen im Autonomie Magazin. An English version can be found here.
Eine surreale Situation. Du machst morgens das Fenster an der Hauptstraße, in der du seit Jahren wohnst, auf und es kommt kein Krach herein. Alles still draußen. Die Menschen haben begonnen sich an die „Ausgangsbeschränkungen“ zu halten. Die Stadt ist so ruhig wie vermutlich seit 1945 nicht mehr. Bewegt man sich dennoch nach draußen fahren ständig Polizeistreifen an einem vorbei. Was zur Hölle passiert hier?
Die bayerische Regierung ist ja schon immer die gewesen, die schnell autoritär auf Krisen reagiert und so die anderen Bundesländer mitzieht. Söder hat in der BRD als bayerischer Ministerpräsident eine Sonderrolle. Der Staat reagiert auf die Pandemie mit krassen Einschränkungen, weil ihm nichts anderes einfällt. Was wirklich Sinn machen würde, nämlich massenhaft testen, ist in einem so kaputt gesparten Gesundheitssystem nicht auf die schnelle möglich. Also bleibt ihnen nur das Einsperren der Bevölkerung. Und sie tun dabei so als würde es ihnen total leid tun. Bei der Pressekonferenz sabbelt Söder einen von Freistaat Bayern und dass die Freiheit den Menschen in Bayern ja so wichtig wäre. Ich lache laut.
Wieder einmal zeigt sich wie unpraktisch dieses System ist, wenn es wirkliche Probleme zu behandeln gibt. Der Jahrelang nach dem Motto „bis hierher liefs noch ganz gut“ aufrecht erhaltene Neoliberalismus schlägt nun mit voller Wucht ein: Es fehlt an allem, was nötig wäre um rational gesehen mit dieser Krise umzugehen. Ganz abgesehen von den ideologischen Schädigungen, die er bei vielen Menschen hinterlassen hat (Stichwort Klopapier), zeigt sich nun in einer nicht mehr zu ignorierenden Masse, zu was die Privatisierung des Gesundheitssystems führt: Tote, die nicht hätten sterben müssen. Besonders hart in Italien. Dort sind bereits mehr Menschen gestorben als in China. Eigentlich ist das neue daran nur das Ausmaß und die räumliche Nähe dieses Problems. Jetzt müsste doch wirklich allen mal auffallen, was zu tun wäre, oder?
Bei jeder Krise stellt sich schnell die Frage wer wohl dafür bezahlen wird. Die Antwort der Herrschenden ist jetzt schon erkennbar: Der Staat soll durch Steuergelder den Laden retten, sprich also mit dem Geld, das hauptsächlich die Arbeiter*innenklasse dem Staat abdrücken muss. Wir sollen also wieder dafür bezahlen, dass ihr System alle 10 Jahre extrem versagt und Krisen auslöst, die dafür sorgen, dass wir unsere grundlegendsten Bedürfnisse nicht mehr erfüllen können. Der staatliche Rettungsschirm wird zwar manche Auswirkungen abfedern, aber wenn das alles überstanden ist werden riesige Miet- und Lohnschulden im Raum stehen, um die sich dann gestritten werden wird. Die Aufgabe der Linken besteht darin, diesen Klassenkampf für sich zu entscheiden. Das Ganze birgt die Chance einer großen sozialen Bewegung die etwa Verbesserungen im Gesundheitssystem und endlich Lohnsteigerungen im sozialen Bereich erkämpft. Darauf müssen wir uns jetzt vorbereiten.
Wir sehen, dass in Ländern in denen massenhaft getestet wird, die Kurve allmählich abflacht. Es gibt also ein Beispiel, wie man vernünftig gegen die Pandemie kämpfen kann. Sorgen wir dafür, dass auch hier in Deutschland die Vernunft siegt. Dazu reicht es aber nicht daheim zu bleiben und darauf zu warten dass es schon irgendwie geregelt wird. Wir kennen alle die Bereitschaft der Herrschenden auf die Wissenschaft zu hören, wenn es ihnen nicht in den Kram passt, wie etwa beim Klimawandel. Wir müssen dafür sorgen, dass das was woanders funktioniert auch hier umgesetzt wird, egal was es kostet. Die Frage nach den Kosten ist erst einmal irrelevant. Außerdem wissen wir als Linke wo das Geld dafür zu holen ist. In einer solchen dramatischen Situation wie der jetzigen müssen wir noch viel Lauter schreien: Lasst den scheiß die Bonzen bezahlen! Demonstrieren können wir dafür noch nicht, aber es spricht wohl aus virologischer Sicht nichts dagegen, der Bevölkerung in großem Ausmaß auf dem Straßenbild und Online unsere Forderungen nahezubringen. Nutzen wir die gewonnene Zeit!